Verantwortungseigentum als Nachfolge-Option: Wie Familienunternehmen ihre langfristige Unabhängigkeit sicherstellen können.
Es ist eine der Fragen für Familienunternehmer:innen: Was TUN, wenn die Kinder andere Pfade einschlagen? Aufgeworfen hat sie auch hier im Werk:log zuletzt Eva Pichler. Eine wertvolle Option in Sachen Nachfolgeregelung: Verantwortungseigentum.
Für diese hat sich Michael Hetzer entschieden, der das Unternehmen elobau einst von seinem Vater erbte. elobau, ein großer Mittelständler aus dem Allgäu mit rund 1.100 Mitarbeitenden, stellt Sensorik, Sicherheitstechnik, Füllstandsmessung und Bedienelemente her – ein „Hidden Champion“ aus dem Bilderbuch sozusagen. Michael Hetzer hat selbst Kinder, zwei Söhne. Im Alter von gerade mal acht Jahren fragte ihn sein Jüngster, ob er denn irgendwann die Firma übernehmen müsse, falls sein größerer Bruder nicht wolle. Da wurde Michael Hetzer klar: Der Vererbungsautomatismus hat seine Tücken. Doch was gibt es an Alternativen? Eigentlich nur noch den Verkauf. Das kam für ihn nicht in Frage. Das Unternehmen und Lebenswerk sollte langfristig selbstbestimmt bleiben – so wie bei den allermeisten Familienunternehmern. Doch was bleibt noch, wenn die beiden klassischen Wege der Weitergabe, also innerhalb der Familie oder über einen Verkauf, nicht passend sind? Es begannen strategische Überlegungen, bei denen damals auch Dr. Marcel Megerle von FUTUN involviert war.
FamilienUnternehmerSEIN
Es beschreibt für uns das Gefühl, die Existenz und die Erlebnisse, die Menschen miteinander verbinden.
„Wenn man für sich ausschließt, das Unternehmen zu verkaufen, dann ist es eigentlich fast ein logischer Schritt, es in Verantwortungseigentum zu bringen“, erzählt Michael. Ihn trieb auch die ganz grundsätzliche Frage um, wessen Verdienst der Wert eines Unternehmens eigentlich sei. Seine Antwort: nicht nur das der Eigentümer. Sondern gleichsam aller Mitarbeitenden. „Aus dieser Logik heraus ist es ja eigentlich komisch, wenn dieser Vermögenswert dann nur einer Person oder einer Gruppe von Personen gehört.“ Auch dieser Gedanke brachte ihn zu Verantwortungseigentum: Denn hier spielt der Vermögenswert für die Nachfolge im Prinzip keine Rolle mehr. Wie aber funktioniert das?
Auf die kürzeste Formel gebracht: Bei Verantwortungseigentum verbleiben Kontrolle und Vermögen langfristig und rechtsverbindlich im Unternehmen. Es wird stets treuhändisch an die nächste Generation weitergegeben. Das kann die Tochter, das kann der Sohn sein. Das kann aber auch einfach eine Mitarbeiterin sein, die sich für den Job eignet. Das FamilienUnternehmerSEIN wird damit erweitert: Der Vererbungsautomatismus innerhalb der genetischen Verwandtschaft wird ersetzt – an seine Stelle treten Fähigkeiten und Werte. Der Kreis der unternehmerischen Familie wird so erweitert: nämlich um alle Menschen, die das Potential haben, das Unternehmen in die Zukunft zu führen. Zudem gilt ein Asset-Lock, also eine Vermögensbindung, die verhindert, dass Gewinne zu persönlichen Zwecken entnommen werden können. Somit kann das Unternehmen nicht mehr zum Spekulationsgut werden. Beide Prinzipien haben eine lange Tradition: Bosch und Zeiss haben sich als Pioniere in Sachen Verantwortungseigentum schon vor vielen Jahrzehnten entsprechend aufgestellt.
FamilienUnternehmerTUN
Es beschreibt für uns das Handeln, den Verstand, die Tiefenanalyse und die Wirkungen, die sich dadurch zeigen.
Es gibt verschiedene Wege, Verantwortungseigentum umzusetzen. elobau hat dazu ein Doppelstiftungsmodell aufgesetzt. Doch die rechtliche Ausgestaltung ist nicht immer unkompliziert. Die Purpose Stiftung bietet einen Umweg an, der es auch kleineren Unternehmen ermöglicht, Verantwortungseigentum umzusetzen: das sogenannte Veto-Anteil-Modell. Auch Mittelständler wie Arche Naturprodukte oder Waschbär nutzen es.
Umfragen zeigen: Den meisten Familienunternehmer:innen liegen langfristige ökonomische Unabhängigkeit und Zukunftsfähigkeit am Herzen. Sie lieben, was sie tun, sie tun es mit Überzeugung und großem Verantwortungsbewusstsein für Mitarbeitende und andere Stakeholder; in einem sozialen Gefüge, nicht selten geprägt von einer gewissen regionalen Verwurzelung. Verantwortungseigentum stellt dieses Unternehmensverständnis sicher, indem es eine nachhaltige Nachfolge-Option bietet und den Fokus des unternehmerischen TUNs zielsicher auf den Zweck und die Aufgabe des Unternehmens lenkt. Kein Wunder, dass in einer repräsentativen Allensbach-Umfrage 42 Prozent der mittelständischen Familienunternehmen sagen: Verantwortungseigentum kommt für uns als Nachfolge-Lösung in Frage.
Enkelfähigkeit im Denken und Handeln
Sie bedeutet für uns Zukunftsfähigkeit, Nachhaltigkeit & langfristige Wirksamkeit über Generationen.
Inzwischen hat in Deutschland auch die Politik das Thema entdeckt und sein Potential für die Enkel- und Zukunftsfähigkeit unserer Wirtschaft erkannt: Denn Verantwortungseigentum stärkt den Wettbewerb in einer dezentralen sozial-ökologischen Marktwirtschaft, indem es dazu beiträgt, Unabhängigkeit und unternehmerische Selbstbestimmung sicherzustellen. Um diese Eigentumsform ohne Umwege umsetzbar zu machen, will die deutsche Bundesregierung daher eine eigene Rechtsform für eine „Gesellschaft mit gebundenem Vermögen“ einführen. Ein wichtiger Schritt für die weitere Etablierung einer schon jetzt erprobten Nachfolge-Option.
Jakob Willeke arbeitet seit 2018 für das PURPOSE-Netzwerk, verantwortet aktuell den Beratungsbereich bei Purpose Ventures und ist dort auch Teil des Investmentteams. Er begleitet Unternehmen auf ihrem Weg zu einer passenden Eigentumsstruktur entlang der Prinzipien von Verantwortungseigentum. Darunter sind Start-ups und junge Unternehmen, aber auch große und kleinere Mittelständler, die sich mit dem Thema Nachfolge beschäftigen. Schon mehr als 100 Firmen hat das Purpose-Beratungsteam begleitet. Darüber hinaus ist Jakob in die gemeinnützige Arbeit der Purpose Stiftung involviert, die das Konzept Verantwortungseigentum erforscht und beleuchtet sowie für Gesellschaft und Allgemeinheit bekannter und zugänglicher macht. FUTUN arbeitet mit Jakob Willeke in Generationenwechseln, in denen sich Verantwortungseigentum als eine Nachfolge-Option anbietet, zusammen.
Bild: Dr. Marcel Megerle im Gespräch mit Michael Hetzer von elobau (l.) und Jakob Willeke von PURPOSE (r.) bei der großen Konferenz für Verantwortungseigentum, der VE:22, die Anfang im September in Berlin stattgefunden hat. Rund 450 interessierte Unternehmerinnen und Unternehmer nahmen teil.
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