Kultur ist mehr als die Summe ihrer Teile: Unternehmerfamilien zwischen Tradition und Erneuerung.
Jede Unternehmerfamilie hat und ist zugleich eine einzigartige Kultur. Diese ist aber nicht einfach da, sondern entwickelt sich automatisch und oft unbewusst entlang des Bestandes der Unternehmerfamilie. Kultur hat also einen Vergangenheitsbezug, der für die Mitglieder stabilisierend wirkt und ihnen Orientierung bietet. Allerdings muss sich Kultur auch entwickeln, damit sie ihre Anschlussfähigkeit für die nächsten Generationen nicht verliert. Dabei stellt Kultur im besten Fall ein Milieu bereit, welches u.a. die Resilienz einer Unternehmerfamilie stärkt. Dafür ist es aber notwendig, den Bogen zwischen Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft zu spannen und die eigene kulturelle Identität als Kernressource wahrzunehmen und kontinuierlich zu reflektieren. Es geht hier also um die bewusste Stärkung der Stärken, des familiären Zusammenhaltes und Miteinanders.[1]
TUN
Woher kommen wir
Selbst bei sehr langlebigen Unternehmerfamilien ist der Gründergeist häufig noch kulturell spürbar. Aber ebenso die Herausforderungen, Traumata, Konflikte und Erfolge, die die Familie entlang ihres Bestandes erlebt hat. Diese sind im kulturellen Gedächtnis gespeichert und beeinflussen die Sicht auf die Welt, d.h. was wird als wichtig und richtig ansehen und was nicht. Hier kann zurecht von einem «Erbe der Ahnen»[2] gesprochen werden, was auf das familiäre Miteinander, Handeln und Tun wirkt. Eine bewusste Reflexion kann Ressourcen freisetzen und die kulturelle Identität stärken.
SEIN
Wer sind wir
Kultur wird aber nicht nur durch die Vergangenheit geprägt, sondern wird auch im Hier und Jetzt fortgeschrieben. Sie ist eine verbindende Kraft und äußert sich u.a. durch die Gefühle und prägt, wie die Erlebnisse innerhalb der Familie wahrgenommen werden. Kultur schafft somit Identität und reduziert die Komplexität. Daher sollten sich Unternehmerfamilien immer auch fragen: Wer sind wir? Was macht uns aus? Was verbindet uns?
ENKELFÄHIGKEIT
Wohin möchten wir gehen
Um die Enkelfähigkeit sicherzustellen, muss Kultur für die nächste Generation anschlussfähig sein, d.h. sie muss eine Art Sinnangebot für die Nachkommen bereitstellen. Einerseits sollten diese daher frühzeitig an die bestehende Kultur herangeführt werden, anderseits dürfen Impulse der neuen Generation nicht ignoriert werden. Vor allem im Hinblick auf den Wertewandel. Trotz der änderungsskeptischen Beschaffenheit von Kultur sollte die Unternehmerfamilie offen sein für die Bedürfnisse der nächsten Generation. Der Dialog zwischen den Generationen und der geneinsame Blick in die Zukunft sind hier wichtig.
Simon Caspary ist Berater, Coach und Trainer. Als dritte Generation einer Unternehmerfamilie kennt er die Dynamiken und Herausforderungen in Unternehmerfamilien und kombiniert seinen persönlichen Erfahrungsschatz mit seiner wirtschaftswissenschaftlichen und systemischen Ausbildung sowie Berufserfahrung in verschiedenen Branchen.
[1] Caspary, S. (2024): Kulturentwicklung von Unternehmerfamilien. Eine Einführung. Mit einem Vorwort von Heiko Kleve. Heidelberg (Carl-Auer).
[2] Caspary, S. (2023): Sozialisation von Nachkommen aus Unternehmerfamilien. Familiendynamik und Unternehmensnachfolge. Wiesbaden (Springer Gabler), S. 38 ff.
Foto: Raphael Moser by Think Beyond
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