doing family: Wie die Kunst zu neuen Perspektiven auf unser Zusammenleben bewegt.
So wie die Familie seit jeher die Kunst inspiriert, kann die Kunst selbst auch zu neuen Perspektiven auf Familien inspirieren: das zeigte eine im Schweizer Vögele Kultur Zentrum kuratierte Ausstellung mit dem Titel «doing family – Über Erwartungen, Macht und Liebe» im Frühjahr 2023.
Kunstwerke aus verschiedensten Disziplinen – szenische Hörspiel-Installationen, Beiträge der Wissenschaft, Werke der Gegenwartskunst und Exponate der Populärkultur – machten praktisch erfahrbar, was wir alle aus anderen Kontexten kennen: die Liebe, Unterstützung und das Vertrauen und auch den Schmerz die Enttäuschung und Anstrengung, die wir individuell mit dem Begriff «Familie» verbinden können.
Dabei sind es heute ganz unterschiedliche Formen des Zusammenlebens, die wir als «Familie» verstehen. Zwar existieren seit jeher alternative Familienmodelle, doch prägte in den letzten Generationen insbesondere die tradierte bürgerliche Kleinfamilie die Perspektive auf das Familiensein. Umso mehr scheinen die Exponate im Kultur Zentrum Hand in Hand mit dem Zeitgeist zu gehen. Denn gerade jetzt scheint die Frage nach dem, was Familie sein kann, darf und will, ein wesentliches Element der gesamtgesellschaftlichen Veränderungen zu sein. So widmete erst im August diesen Jahres die Wochenzeitung «DIE ZEIT» dieser Frage mit den Worten «Wunderbar unordentlich – Was heute alles Familie sein kann» ihre Titelseite.[1] Verschiedenste Familienformen werden heute selbstverständlicher und sichtbarer als in der Vergangenheit gelebt – von Patchworkfamilien, über die Verantwortungsgemeinschaft bis hin zu Regenbogenfamilien. Zugleich werden Elemente, wie beispielsweise die Ehe, die damit verbunden sind, zunehmend hinterfragt.[2]
Auch in der wissenschaftlichen Auseinandersetzung mit unternehmerischen Familien taucht der Begiff «doing family» immer häufiger auf. Dieser Ansatz der Familienforschung, bezeichnet als «doing family» bzw. «Familie als Herstellungsleistung»[3], wurde darüber hinaus auch mit Unternehmerfamilien in Verbindung gebracht[4]. Der Wandel der Familie wirkt schließlich auch hinein in diejenigen Familien, zu denen ein Unternehmen gehört. Besonders interessant wird es, wenn wir uns damit verbunden die Frage stellen, wie sich so neben den Familien perspektivisch auch die Familienunternehmen verändern werden.
Eine von vielen Fragen, zu denen ein Spaziergang durch die Ausstellung bewegt (der sich auch heute im Durchblättern des Ausstellungs-Bulletins nachempfinden lässt). Fragen, die zugleich auch Anregungen zur Auseinandersetzung mit der eigenen Herkunft und der Art und Weise sind, in der wir uns möglicherweise selbst dazu entschieden haben, als eine «Familie» zusammenzuleben. Denn oft ist es die Kunst, die bisher Unaussprechliches greifbar macht. Auf dass die Kunst und Familien sich weiter sinnvoll in Richtung der Familie der Zukunft inspirieren!
[1] DIE ZEIT, Ausgabe 34/2023. Titelthema: Wunderbar unordentlich. Was heute alles Familie sein kann. Erschienen am 10.08.2023.
[2] Roig, Emilia (2023): Das Ende der Ehe: Für eine Revolution der Liebe. München: Ullstein Verlag.
[3] Jurczyk, K.; Lange, A. & Thiessen, B. (Hrsg.) (2014): Doing Family: Warum Familienleben heute nicht mehr selbstverständlich ist. Weinheim: Beltz Juventa.
[4] Köllner, T.; Haver-Rassfeld, H. & Kleve, H. (2022): Das Doing-Family-Konzept: Eine neue Perspektive zum Verständnis der Herstellung und des Zusammenhalts von Unternehmerfamilien. Familienunternehmen und Strategie 01/2022, S. 11-17.
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